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J'DAY CHRISTOPH KAISER ANTWORTET
Wie bist du zur Musik gekommen?

Ich bin in einer sehr musikalischen Familie aufgewachsen, wo alle möglichen Leute, hauptsächlich die Männer, sich an irgendwelchen Instrumenten verlustierten; vor allem Weihnachten, wenn sich die ganze Familie traf, um dann um die Wette zu spielen. Mein Vater hat drei Brüder und die singen alle: sie singen unglaublich vielstrophige baynsche Lieder, die extrem amüsant sind und eigentlich überlieferungswürdig. Man kann damit Abende zubringen. Der Jüngste von diesen Onkeln war eine wichtige Bezugsperson für mich, da ich mein erstes Lebensjahr bei meiner Oma aufwuchs, und er in dieser Zeit auch noch bei ihr lebte. Er war mehr der "Groovy-Mann" - er spielte Klavier.

Kannst du bayrische G`stanzln singen?

Nein, überhaupt nicht , ich muß gestehen: das ist eine Schande Ich hab erst später - mit Dirk- entdeckt, daß man ja richtig singen kann.

Als du in die Pubertät kamst, hattest du da eine Band?

Ich habe, als ich 16 war und mich von meiner ersten Freundin getrennt hatte, angefangen, wie ein Beknackter Gitarre zu spielen. Ich spielte täglich 8 Stunden lang. Dann hat mir Stefan, der mein alter Schulfreund ist, gesagt, ich solle doch Unterricht nehmen, denn wir wollten immer gerne zusammen spielen und Musik machen; er war am Schlagzeug schon sehr gut ausgebildet. Ich hatte dänn einen Gitarrenlehrer mit dem ich dann bald ein akustisches Gitarren-Duo gründete. Ich bin also während der ganzen deutschen Hipster-Zeit pennend meiner Folklore hinter hergerannt, was aber auch O.K. war.

Wann bist du nach Hamburg gekommen?

Ich glaube, '83. Ich hatte mich verliebt. Außerdem hatte ich eine Wette mit meinem Vater, der zu mir gesagt hat: es ist schlecht, wenn Kinder zu lange im Elternhaus sitzen. An deinem 20ten Geburtstag möchte ich dich nicht mehr bei mir sehen. Am Vorabend dieses Geburtstages bekam ich meine Geschirraussteuer und bin nach Hamburg gezogen. Ich hatte keinen Plan, hatte auch keme Ahnung von Hamhurg, bin nur einem Mädel hinterhergereist. Damals dachte ich noch, ich müßte in die Fußstapfen meines Vaters treten, der Grafiker ist; ich wollte eigentlich nie professioneller Musiker werden. Ein Freund erzählte mir dann, er kenne jemanden, der möchte unbedingt Popstar werden und singt und möchte 'ne Band zusammenstellen. Das war eben Dirk, der im Keller mit irgendwelchen Jungs am Proben war. Von da an haben wir immer wieder zusammen 'rumgesessen und versucht, Songs zu schreiben - obwohl das keiner von uns konnte; aber wir haben mal so 'rumgeschraubt. Dirk war damals als Solokünstler bei einem Verlag unter Vertrag, bei dem ich dann nichts wissend auch unterschrieb, und schon war ich Teil der Musikindustrie. Wir wurden dann zu einem windigen Produzenten nach London geschickt, der mit uns ein paar Stücke aufnahm. Das Musikmachen wurde uns völlig aus der Hand genommen. Irgendwelche Studiomusiker kamen herein, und ich flog bald aus dem Studio heraus, weil der Produzent mich nicht dabeihaben wollte. Die ganze Aktion hatte einen so schlechten Beigeschmack; die Stücke wurden auch nicht veröffentlicht. An diesem Punkt war uns beiden klar: wir mußten unsere eigene Band machen

Wie habt ihr dann Louis, Jörn und Stefan kennengelernt?

Louis wurde uns von unserem Verlagsmann empfohlen. Er wußte, daß der auch irgendwelche Songs zusammenschraubt und unbedingt loslegen will. Dirk und ich waren damals besessen von der Idee, man müsse jederzeit alles, was einem durch den Kopf geht, sofort dokumentieren. Deshalb liefen wir ständig mit einem kleinen Walkman durch die Stadt, und haben alles aufgenommen, z. B. wenn wir breit waren und "Jingle Bells" gesungen haben. Eins dieser Tapes hat Louis Jörn vor gespielt. Der fand das sehr lustig und wollte uns kennenlernen.

Wie würdest Du Eure Aufenthalte in London und New York vergleichen?

Ich fand London besser. Es war zwar wie im Exil, aber wir haben dort richtig gelebt, richtig gespielt. In New York konnte ich mich die ganze Zeit nicht des Eindrucks erwehren, daß wir da nicht sein sollten. Also entweder geht man nach New York, lebt dort und schreibt dort Musik, die die Erfahrungen, die man dort macht, transportiert, oder man bleibt zuhause und achtet darauf, daß man eine gute Platte macht. Die Stadt und unsere Aufnahmen gingen keine Verbindung ein. Das war für mich wie Recording-Tounsmus!

Was ist das Entscheidende für dich hier im Hafenklang?

Wir sind hier nicht auf einer limitierten Produktionsreise mit vorgefertigtem Einspielplan, sondern wir sind hier einfach. Es gibt jetzt keine Möglichkeit, sich auf irgendwelche Äußerlichkeiten zurückzuziehen, die einen zwar antörnen, die aber hinterher in der Musik keiner mehr hört.

Machst Du Dir Gedanken über Deine persönliche Zukunft?

Ich habe noch nie besonders weit vorausgeplant, und ich glaube, das alles wäre sonst auch gar nicht passiert. Ich glaube an die Richtigkeit einer natürlichen Entwicklung. Ich versuche, in einem Zustand der konstanten Ur-Erregung das Leben auf mich zukommen zu lassen.

Welche Rolle spielt für Dich der Faktor, eine mediale Existenz zu haben?

Medienleute sind die Leute, die dem, was wir machen Begrifflichkeiten auferlegen - und davon will man sich ja eigentlich lösen. Wir befinden uns als Gruppe im Moment in einem Zustand, wo ich laube, daß wir uns von all diesen Begriflichkeiten und den Einflüssen, die damit einhergehen, freier denn je gemacht haben. Ich bin auch vielleicht gar nicht der Pop-Mann, oft ist es mir viel mchtiger, was in dem Song gesagt wird, auch wenn er vielleicht viel besser ist, wenn er sinnlos ist. Ich bin unbegabt für die Haltung der Banalität, die eventuell viel grandioser ist , da gibt es andere Leute in dieser Gruppe, die dafür wesentlich mehr Talent haben . Aber an sich finde ich es an mir selbst grauenvoll, immer Sinn machen zu müssen.

Wie verarbeitest du die Diskrepanz zwischen der Musik, die du machst, und dem Image, das einem das Musik-Business auferlegt?

Gibt sie dir das Gefühl von Unfreiheit? Nicht mehr. Wenn man eine Platte macht. verselbständigt sich deine Identität natürlich durch die Öffentlichkeit. Erst recht, wenn man Popmusik macht. Da ist doch alles Projektion. Es ist mir längst klar, daß sich jeder Hörer seine Band so bastelt, wie er sie haben will.

Empfindest du es äls ungerecht, daß es für anglo-amerikanische Gruppen einfacher ist, weltweiten Mega-Erfolg zu haben?

Nö. Ja. Letztendlich: Ich bin, wo ich bin. Es geht so weit, wie es. kommt. Soll ich jetzt auswandern, damit ich jetzt vielleicht kar rieristisch besser abgehe? (Das sind sowieo Sachen, die man sich später überlegen kann, wenn der Plattenvertrag mit der Polydor ausgelaufen ist). Im Moment habe ich keine Lust, mir das tagtäglich 'reinzuziehen. Andererseits denke ich mir schon, daß es eine blinde Amerika- und Hip-Hörigkeit ist, wenn zum Beispiel der letzte Film mit Ice-T und Ice-Cube Super-Kritiken bekommt, und der meinr Ansicht nach kompletter Schrott ist. Es ist mir doch egal, ob da Ice und Cube herumrennen. Aber darüber lächelt man doch nur. Ich habe keine Lust, mir Energien rauben zu lassen.

Glaubst du, daß es zukünftig in der Art, wie man Musik konsumiert, radikale Veränderungen geben wird?

Ich weiß es nicht. Vielleicht wird man Musik hören, wärend man gleichzeitig mit dem Joystick am Mix herumfummelt oder im Video in die Handlung eingreift. Dieses interaktive Musikhören mag im Moment vielleicht attraktiv klingen, aber das wird wohl auch irgendwann mal langweilig. Du willst ja nicht Musik hören und dann nochmal verändern, oder?

Welche Musik hörst du denn privat?

Im Moment gar keine. Zur Zeit nervt es mich einfach, wenn ich zuhause Schlagzeug, Bass und Gitarre höre. Ich tue mich sowieso im Monent schwer damit, aus dem Hafenklang wegzugehen. Wir sind fast die ganze Zeit hier - (eine Katze streßt herum) wie auch Kurti, der Studiokater - moment, ich muß den mal eben wegwerfen; Katzen brauchen auch klare Ansagen, - und zuhause höre ich recht wenig Musik, denn wenn ich eine Platte höre, klettere ich gleich in die 'rein und denke dann, sowas könnte man auch mal auspröbieren. Dann mache ich die Platte aus und fange an zu arbeiten - eigentlich ein ziemlich "pathologisch-blindgangerisch-superkrankes" Verhalten.

Welche Rolle spielt musikalische Virtuosität für dich in unserer Zeit?

Ich kann zum Beispiel keine Nöte lesen und muß alles nach Gehör machen. Ich bin also auch kein Spezialist. Ich glaube, Spezialisten sind die falschen Leute, um Neues zu erschaffen. Es kommt nicht drauf an, was man spielt, sondern was für eine Energie dahinter steckt. Am besten ist es doch, man greift sich etwas, ohne viel davon zu wissen, und macht daraus, was einem. gerade einfällt.

Wo fühlst du dich am ehesten in deinem Element: im Studio oder auf der Bühne?

Eigentlich auf der Bühne. Das ist der beste Moment; das ist der Moment, in dem sich die Musik bewahrheitet. Da geht' es nur noch darum, die Musik zum Leuchten zu bringen.

Zuletzt verändert: Donnerstag, 26. August 1999 von Axel Krägelius