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J'DAY LOUIS OBERLANDER ANTWORTET
Louis, wie bist Du zur Musik gekommen?

In erster Linie über lange Autofahrten. Ich wurde in Sofia geboren, und wir sind jedes Jahr mit dem Auto dorthin gefahren. Dabei haben wir dann ständig Cassetten gehört mit der damals gängigen Top-Twenty-Musik. Ich erinnere ein paar Stücke, z.B. "The Man Who Sold The World" von David Bowie. Als ich sechs jahre alt war, hat mich meine Mutter gefragt, ob ich nicht Lust hätte, ein Klavier zu bekommen. Ein dreiviertel Jahr lang hatte ich auch Unterricht, aber dann wurde Fussballspielen wichtiger. Und das blieb auch so für die nächsten Jahre, bis mir meine Eltern eine Gitarre von einem Flohmarkt mitbrachten. Ich war damals zehn. Da fing ich an, mit einem Schulfreund zusammen Beatles-Lieder nachzuspielen. Mit elf habe ich dann zum erstenmal in einer Band gespielt. Wir nannten uns "The Producers" und haben in verschiedenen Liveclubs gespielt.Unsere Musik bewegte sich im Bereich Ska, Reggae und Pop. Diese Band wurde langsam immer unwichtiger für mich. Was davon übrig blieb, war, daß ich mit dem Bassisten, Stefan von Bargen, zusammen Stücke schrieb. Mit siebzehn, achtzehn merkte ich dann, daß ich doch stark in der Musik verwurzelt bin, und wollte Klavier studieren. Ich bekniete meinen Vater, damit er mir den Unterricht bei einem richtig guten Klavierprofessor bezahlt, und er willigte ein. Dann hab` ich also nochmal angefangen, Klavier zu lernen, aber diesmal richtig. Diesen Unterricht hatte ich fast ein Jahr lang, er brachte mir ein gutes musikalisches Fundament und Verständnis für die klassische Musik.

Hast du zu der Zeit Kontakt zu anderen Musikern gesucht?

Nein. Ich habe aber versucht, meine Stücke bei Musikverlagen unterzubringen. Ein paar Monate spater meldete sich bei mir em junger Mann namens Kirk Novak, was damals Dirks Künstlername war, mit einem starken amerikanischen Akzent. Ich dachte erst: "Was ist das denn für ein Typ?" Dann trafen wir uns zu dritt, Dirk und Christoph kannten sich ja schon. Wir haben uns gegenseitig unsere Stücke vorgespielt und hatten gleich das Gefühl, eine gemeinsame Wellenlänge zu haben. Dirlc und ich haben beide eine große Vorliebe für Vokal-Arrangements, und wir haben sofort angefangen, gemeinsam zu singen. Erst sind wir, ungefähr ein ]ahr lang, zu dritt `rumgekrebst und haben, unglaublich sogenannte "spirit-talks" abgehalten.in denen wir uns aufemander einschworen.Wir haben uns zu dritt in einen Übungsraum gestellt, anstelle eines Schlagzeugers hatten wir einen Cassettenrecorder mit den Beats drauf, die wir zuhause auf dem Drumcomputer gemacht hatten, außerdem waren da noch drei Scheinwerfer, die wir äuf uns gerichtet hatten, und wir fühlten uns ziemlich groß.

Wie bewertest du im Nachhinein das, was dann der Erfolg, die Verkaufszahlen und die Reaktionen in der Öffentlichkeit, in euch ausgelöst haben?

Auf einmal befindet man sich in der Situation, und man nimmt es gar nicht wahr.

Als deutsche Band kommen von vielen Seiten Fragen auf einen zu, was die Lage in Deutschland in seiner Haltung zu Ausländern betrifft. Würdest du unter Umständen auswandern wollen, wenn die Situation sich weiter so entwickelt?

Diese Verschärfung gibt mir schon das Gefühl, hier nicht so ganz zuhause zu sein. Ich bin zwar in Deutschlarid groß geworden, und bin auch froh darüber, habe bulgarisch, meine eigentliche Muttersprache, ast vergessen, aber schon durch eine Unfreund1 chkeit im Alltag hier merke ich, daß ich irgendwo im Mittelmeerraum groß geworden bin. Mir scheint, die Melancholie, welche die deutschen Denker vorgedacht haben, und die eigentlich eine Art der Freude sein kann (ich spüre die nämlich auch in mir), schlägt in Deutschland sehr leicht um in Verbitterung und Zynismus. Dies ist eine Größe, mit der ich überhaupt nichts anfangen kann, denn das ist eine Form der Engstirnigkeit. Daher ist der Wunsch, wo anders hinzuwollen, schon seit zehn Jahren bei mir im Hinterkopf.

Die Bedingungen, Musik herzustellen und zu vermarkten, sind für englische, amerikanische und australische Bands generell einfachere, als für deutsche. Empftndest du diese als unfaire Startbedingungen?

Was mich immer genervt hat, ist die Haltung der Medien und die Akzeptanz der Leute, was diesen Punkt angeht. Warum wird Ebenbürtiges anders behandelt, nur, weil es aus Manchester, aus Tottenham oder Puffdipuff kommt?

Ihr habt eineinhalb Jahre in England gelebt. Wie kam es dazu und was war das für eine Zeit?

Wir dachten, daß, wenn man in Deutschland bleibt, man es dann international nicht schafft. Wir hatten außerdem eigentlich mehr Freunde in England, als in Hamburg. Viele waren Freunde von Alex. Wir waren sowieso, weil wir in dieser Zeit dort Plattenaufnahmen, Videos und Radio-Touren machten, die meiste Zeit in London, so daß es naheliegend war, uns dort ein Haus zu nehmen. Vierwöchentlich haben wir in diesem Haus Zimmerwechsel gemacht, weil die Zimmer unterschiedlich gut waren. Es gab das Rattenloch im Keller die Suite oben... Wir haben dort immer wieder Parties gegeben, Grillparties, Tanzparties, Parties, bei denen Christoph aus dem Fenster gesprungen ist...

Was führte euch dann wieder nach Deutschland?

Was führte uns wieder nach Deutschland...? Die Freundinnen.

Ach so, ah ja, die Frauen. Wie war dann im Vergleich zu dieser Londoner Zeit dein Eindruck von New York?

London hat sich für mich nach ungefähr einem dreiviertel Jahr erschöpft. Zum Beispiel ist für einen Engländer die Gewitztheit in der Sprache unabdingbar. Ich spreche zwar gut englisch, aber ich kann mich auf der Humorebene nicht vermitteln. Wenn du immer nur Fakten wiedergeben kannst: "Ich gehe jetzt wohl los", "Ja, schön", "Bis morgen dann, Tschüß", dann hängst du da, während die anderen einen Witz nach dem anderen reißen, ziemlich in der Luft. Das schien in New York einfacher zu sein, weil man da eher für das genommen wird, was man ist. New York, Manhatten, ist eine Stadt, in der ich mir vorstellen kann, zu leben. Schwierig wird es dann, wenn man anfängt, an Kinder zu denken Das ist eben etwas, mit dem ich etzt überhaupt das erstemal konfrontiert bin.

Du hast zwei Kinder Gibt es seitens deiner Frau Einschränkungen bezüglich deiner musikalischen Arbeit?

Es ist ein bißchen gemein, wenn alle Leute einem einreden wollen: wenn man Kinder hat, dann geht nichts mehr. Es bedarf lediglich einer neuen Organisationsform, und das ist ganz schön schwierig. Es ist aber machbar. Ich kann da gut sehen, welche Kraftreserven ich überhaupt noch habe. Ich bin ein ausgeprägter Nachtmensch, und inzwischen komme ich mit vier bis fünf Stunden Schlaf pro Nacht aus. Die Kinder diktieren eben den Zeitablauf. Was das Herumreisen und Umziehen betrifft, ist meine Freundin eher auf meiner Seite. Sie sieht sich auch nicht lebenslang in Deutschland.

Wie ist jetzt die Aufnahmesituation hier im Hafenklang-Studio im Vergleich zu eurer Arbeit in London und New York?

Gut ist hier, daß Geld nicht in Zeit umgerechnet wird. Im Studio geht es um Geld. Da bleibt selten die Zeit, ein Stück vielleicht zweimal aufzunehmen. Einmal Pinkeln gehen kostet hundert Mark. Durch die Freiheiten, die wir hier haben, habe ich gemerkt, daß diese Produktion die anstrengenste ist - sie fordert uns in puncto Verantwortung am meisten. Daher befriedigt sie uns aber auch am meisten. Wenn ein Song geschrieben war, wenn das Grundgefühl stimmte, überlegten wir uns gemeinsam mit dem jeweiligen Produzenten, wie dieses am besten umzusetzen sei. Diesem sechsten konnte man immer die Schuld geben, wenn etwas nicht geklappt hat. Wenn es geklappt hat, konnte man sich über die gute Zusammenarbeit freuen. Mit einem Produzenten kauft man sich das schlechte Gewissen ab im Sinne von: "alles, was ich mache, wird schon irgendwie werden". Das fiel diesmal vollkommen weg, und das ist künstlerisch natürlich auch sehr befreiend.

Zuletzt verändert: Donnerstag, 26. August 1999 von Axel Krägelius